Im Süden der Stadt Burgau, ungefährt dort, wo sich heute die Häuser der Graslitzer und Plattener Straße befinden, entstand in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs ein Außenlager des KZ Dachau. Das damals weitgehend unbebaute Gebiet wurde von der Verwaltung der Messerschmitt AG seit 1944 genutzt. Die ersten Häftlinge, etwa 120 Männer, trafen am 11.02.1945 in Burgau ein und bereiteten ein ca. 36 000 Quadratmeter großes Areal für die Nutzung als Konzentrationslager vor. Dieser bestand Anfang März aus 14 grau gestrichenen Baracken, separiert in Bereiche für männliche und weibliche Insassen. Umgeben war das Lager von Stacheldraht und von Wachttürmen mit Maschinengewehrposten.

Den Bahnhof Burgau erreichten am 03. und 04.03.1945 zwei Züge. Sie transportieten 1000 ungarische und polnische Jüdinnen - 498 Häftlinge aus dem KZ Bergen-Belsen und 480 aus Ravensbrück. Die Frauen machten im Vergleich zu den männlichen Häftlingen also die Mehrzahl im Lager aus. Als sie eintrafen, hatten die Jüdinnen einen wochenlangen Transport in Viehwaggons hinter sich, den sie fast ohne Nahrung überstehen mussten. Einige der Frauen überlebten die Fahrt deshalb nicht. Bereits nach wenigen Wochen, am 12. oder wahrscheinlich am 24.04., wurde das Lager evakuiert. Es war vorgesehen, die Häftlinge per Eisenbahn nach Kaufering zu verlegen. Da eine Aufnahme nicht möglich war, fuhr der Zug weiter bis nach Türkheim. Von dort aus lief ein Teil der geschwächten Gefangen 60 Kilometer bis nach Allach bei München. Auf diesem Todesmarsch starben etwa 60 Häftlinge.

Im Konzentrationslager Burgau soll es nach Aussagen der Häftlinge keine Tötungen gegeben haben. Auch der hiesige Arzt, Dr. Karl Schäffer, der die Leichenschau der Häftlinge vornahm, ging davon aus, dass die Jüdinnen den Spätfolgen der Zugfahrten nach Burgau zum Opfer fielen. Von den 18 dokumentierten Todesfällen im Lager ereigneten sich acht innerhalb der ersten Woche nach Ankunft in Burgau, vier sogar bereits am 04. und 05.03.1945. Im Monat April hingegen kein einziger. Ansonsten fällt eine Häufung von Unterernährung, Mangelerscheinungen und Herzmuskelschwäche bei den Todesursachen der Häftlinge auf.

Die 18 dokumentierten Toten sind auf dem jüdischen Friedhof in Ichenhausen beigesetzt. Dies war eine Notlösung: Die für die Bestattung vorgesehene Wiese an der Gemarkungsgrenze zu Scheppach war wegen Grundwasser dafür nicht geeignet. Der Alternativvorschlag der Stadt Burgau, ein Waldstück in der Nähe der Reichsautobahn zu nutzen, wurde behördlich nicht genehmigt.

Nach Kriegsende waren im ehemaligen Konzentrationslager für einige Monate etwa 1500 Jugoslawinnen und Jugoslawen untergebracht. Bis zum April 1946 wurden dort kriegsgefangene SS-Angehörige interniert und anschließend ca. 800 Angehörige der "Russischen Befreiungsarmee", die im Zweiten Weltkrieg an der Seite Deutschlands gekämpft hatten. Bis zum Sommer 1948 bewohnten schließlich Flüchtlinge und Heimatvertriebene das Lager. Im Jahr 2011 wurde in Burgau, nicht unweit des früheren Areals, ein Gedenkstein errichtet.

 

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Ungefährer Standort des KZ Burgau.

 

 

Quelle:

Buch "Ende des Schreckens" 2019

Mit einer alten Fotografie begann 70 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs eine ungewöhnliche Spurensuche im Augsburger Land. Die etwas unscharfe Aufnahme zeigt mehr als ein Dutzend Leichen in einem Fichtenwald. Die teilweise unbekleideten und ausgemergelten Körper sind auf dem Boden nebeneinander abgelegt worden. Im Vordergrund ist deutlich ein Arm mit abgeknichter Hand zu erkennen, im Hintergrund eine Holzbaracke. Handelt es sich um ein Gebäude des geheimen Waldkwerks Kuno und damit um Zwangsarbeiter oder jüdische Häftlinge, die dort ausgebeutet wurden?

Im Scheppacher Forst, zwischen Zusmarshausen und Burgau befand sich das geheime Waldwerk Kuno. Geschützt vor den feindlichen Aufklärern bot der Forst zwischen Zusmarshausen, Scheppach und Burgau mehrere Vorteile: Das Gebiet ist wegen des dichten Baumbestandes von oben kaum einsehbar. Durchschnitten wird es nur von der Autobahn. Die Betonpiste war wichtig: Über sie konnten die Flugzeug-Bauteile schnell und in großer Stückzahl angeliefert werden. Gleichzeitig diente die Reichsautobahn als Startbahn für die Me 262. Auch über den Bahnanschluss in Burgau wurden Bauteile angeliefert.

Die Reaktion der Nationalsozialisten auf die alliierten Bombenangriffe ab 1944 gegen deutsche Industrieziele und Städte hatte einen Namen: Jäger-Programm. Schnell und mit allen Mitteln sollten Jagdflugzeuge in hoher Stückzahl gebaut werden, um die feindlichen Bomber vom Himmerl zu holen. Die in kurzer Zeit konstruierte Me 262 galt als "Wunderwaffe", die eine Kriegswende herbeiführen sollte.

 

Der Name "Kuno":

Die Firma Kuno fertigte für die Messerschmitt AG, die bis vor den Bombenangriffen vor allem in Augsburg und Regensburg produziert hatte. Danach wurde die Rüstungsindustrie verlagert - sie fand dann überwiegend in Waldwerken, in Tunnels oder in Stollen statt. Das Kuno-Waldwerk bei  Zusmarshausen hatte auch den Tarnnamen Kiesweg II. Kiesweg I lag bei Leipheim. Ende April 1944  zerstärten US-Bomber den Fliegerhorst Leipheim - das war vermutlich der Startschuss für das zweite Kuno-Werk bei Zusmarshausen.

Die Pläne

Nachdem alliierte Bomber die Werke des Augsburger Flugzeugherstellers Messerschmitt zerstört hatten, wurde ab 1944 die Produktion des Düsenjägers Me 262 zunehmend ausgelagert. Als geeigneter Ort für die Endmontage der vermeintlichen Wunderwaffe erschien den Nationalsozialisten der weitläufige Scheppacher Forst. Versteckt vor neugierigen Blicken entstand dort binnen weniger Monate eine primitive Produktionsstätte. Damit die Alliierten das Waldwerk aus der Luft nicht entdecken konnten, wurden zwischen den Fichten Tarnnetze gespannt.

Der Bau

Ab der zweiten Jahreshälfte 1944 bauten Zwangsarbeiter das Waldwerk auf. Darauf lässt eine "Aufstellung über die im Lager Burgau untergebrachten Ostarbeiter" schließen. Aufgeführt sind 39 Namen: Überwiegend Männer im Alter zwischen 16 und 53 Jahren. Vermutlich waren es aber mehr Arbeitskräfte, die "Kuno" aus dem Boden stampfen mussten und dabei Erde bewegten, Rohre und Stromkabel verlegten und Holzbaracken aufbauten.

Die Anlage

Herzstück des Waldwerks war eine große Holzhalle und eine lange Montagegrube. Es gab außerdem eine Kantine, Lagerbaracken, ein Vorfeld für den Probelauf, einen Schießstand sowie eine Kompensierscheibe, mit der die Bordkompasse der Flugzeuge justiert wurden. Sehr genaue Erinnerungen hatte der Zeitzeuge Richad Käßmair aus Zusmarshausen, der als Elektriker im Waldwerk und im KZ Burgau arbeiten musste:"Das Werk war nur behelfsmäßig fertiggestellt, so dass man arbeiten konnte aber man konnte noch keine Maschinen starten, man brauchte erst eine Startbahn. So wurde die Autobahn vom Waldende in Richtung Burgau, wo es auf die Ebene hinausgeht, in der Mitte betoniert".

Die Wachen

Nach einer Aufstellung des KZ Dachau arbeiteten im Außenlager Burgau und damit auch im Waldwerk 31 Wachleute. Lagerleiter in Burgau war Johann Kullik. Er wurde nach dem Krieg zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Ein SS-Wächter namens Johann Batoha erhielt zwei Jahre. Häftlinge erinnerten sich auch an eine Aufseherin. Sie soll mit einem Knüppel aus Kuno-Drähten zugeschlagen haben.

Die Düsenjäger

Mit der Me 262 wurde ein neues Zeitalter der Luftfahrtgeschichte eingeläutet: Sie war der erste in Serie hergestellte Düsenjäger der Welt. Mit pfeilförmigen Flügeln erreichte die Maschine eine Geschwindigkeit von 870 Stundenkilometern und war damit allen anderen Flugzeugen der damaligen Zeit überlegen. Dafür verantwortlich waren zwei Stahltriebwerke. Die Me 262 war eigentlich von Ingenieur Willy Messerschmitt als Abfangjäger konstruiert worden, musste dann aber auf Adolf Hitlers Wunsch zum Schnellbomber umgerüstet werden. Damit verlor das Düsenflugzeug seine Geschwindigkeit und seine Flugeigenschaften. Die Prototypen entstanden in Augsburg, der erste strahlgetriebene Flug fand 1942 auf dem Fliegerhorst in Leipheim statt.

Die Produktion

Wie viele der Me 262-Maschinen im Waldwerk Kuno entstanden sind, ist nicht genau geklärt. Die Erinnerungen von Werner Krebs, der als junger Mechaniker kurzzeitig 1945 in der Anlage war, geben jedoch Hinweise auf den Umfang der Produktion. Demnach seien zunächst einige fertig gestellte Flugzeuge auf Lastwagen ins Waldwerk nach Leipheim gebracht worden weil es keinen Treibstoff mehr gegeben hatte. Krebs: "Als wir Burgau wegen der anrückenden US-Armee verlassen mussten, blieben etwa 30 bis 40 flugbereite und munitionierte Me 262 im Wald zurück".

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Auf dem Gelände sind mehrere Info-Tafeln errichtet worden.

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Im Hintergrund sehen wir die Überreste der Kantine.

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Die ehemalige Montagegrube.

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Ein Modell einer Me 262.

 

Quelle:

Buch "Wunderwaffe aus dem Wald", 2. Auflage

Informationstafeln vor Ort

Die Flur von Waldheim, ungefähr 50 Hektar (etwas größer als der Vatikanstaat) war bis 1936 vollkommen mit Wald bedeckt. Es waren Privatwälder von Bürgern von Ried und umliegenden Dörfern. Im Winter 1936 auf 1937 wurde auf diesem Gelände der "Bombenabwurfplatz Kemnat-Ried" errichtet: Der Wald wurde abgeholzt, zwei Beobachtungstürme, 11 Meter hoch und ein Betonbunker wurde gebaut. Der Bombenabwurfplatz war Übungsplatz für das Kampfgeschwader "KG 51 Edelweiß". Zu ihm gehörte der Fliegerhorst Leipheim, Memmingen und Landsberg. Später übten hier auch Flieger von Gablingen, Lagerlechfeld, Ansbach und Neuburg/Donau. Die Flugzeuge warfen ihre Bomben meist aus einer Höhe von 300 Metern ab. Für die Bewohner von Behlingen, Ried und Kemnat war es nicht angenehm, so in nächster Nähe die Bomben pfeifen zu hören. Einige Male verfehlten die Bomben auch ihr Ziel und fielen nach Behlingen und Ried, ohne Schaden anzurichten. Das Ziel für die Bombenabwürfe war eine Flugzeugattrappe und ein Wurfkreuz. Vom Bunker aus konnten Zielscheiben bedient werden, auf die mit Bordkanonen geschossen wurde. Geworfen wurden Betonbomben, die aber nicht explodieten. Beim Aufschlag entwickelte sich Rauch und zeigte den Beobachtern die Stelle des Einschlags. Sprengbomben wurden nicht geworfen. Wenn ein Fliegerhorst einen Übungstag hatte, wurde das vorher gemeldet. Die Bewohner der Dörfer durften dann den Wald und auch die angrenzenden Felder nicht betreten. Soldaten der Luftwaffe beobachteten von den Beobachtungstürmen aus, ob die Bomben ihr Ziel getroffen hatten.

Das Kriegsende 1945 brachte auch das Ende des Bombenabwurfplatzes. Dem Heimatvertriebenen Franz Schäfer von Ried kam der Gedanke, hier für Heimatvertriebenen eine neue Heimat zu schaffen. Mit anderen Heimatvertriebenen von Ried begann er zu roden. In jahrelanger mühseliger Arbeit entstand der Weiler Waldheim. 1953 konnten 8 Familien in ihr neues Heim einziehen (somit ist Waldheim der jüngste Ort im Landkreis Günzburg). Auf die Initiative des Vorstandes des Krieger- und Soldatenvereins Behlingen-Ried, Alois Mändle, wurde 1974 neben dem nördlichen Beobachtungsturm eine Kapelle gebaut. Die Kapelle ist geweiht dem Gedächtnis der Toten der beiden Weltkriege, hier an dieser Stelle, wo von 1937 bis 1945 junge Menschen das grausame Handwerk des Bombenwerfens lernen mussten. 1978 hat der Landkreis die Kapelle übernommen. An einem Sonntag im August wird jedes Jahr bei der Kapelle ein Feldgottesdienst gehalten.

Ein besonderer Tag war der 10. Mai 1981, als Bundespräsident Karl Carstens auf seiner Deutschlandwanderung Waldheim besuchte und hier eine Linde pflanzte.

Waldheim

Friedenskaplle mit Beobachtungsturm.

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Waldheim2

Waldheim4

Der nicht mehr vorhandene Betonbunker.